Über den Einfluss der Blütenbestäubung auf die Pflanzenerträge braucht man wohl schon niemanden zu überzeugen. Die Mehrzahl von Gartenpflanzen und zahlreiche landwirtschaftliche Kulturen bedürfen der Bestäubung durch Bienen, um reiche Ernte von Früchten und Samen zu bringen.
Die Bestäubung ist die Übertragung des Blütenstaubs (Spermienzellen) von einem Staubbeutel auf die Narbe. Der Pollenkorn bleibt auf der Oberfläche der Narbe haften, bildet einen Pollenschlauch aus, der durch einen Griffel in den Fruchtknoten hineinwächst. In dem Fruchtknoten verschmelzt sich ein generativer Zellenkern mit einer Eizelle (weibliche Keimzelle) und bildet eine s.g. Zygote (Befruchtung). Weitere Zellteilung führt zur Herausbildung eines Samens. Gleich nach der Befruchtung beginnt die Produktion der Hormone, die ein Wachstum eines Blütenbodens stimulieren und zur Obstbildung führen (vereinfachte Kurzdarstellung).
Die Bienen sind unter unseren Klimabedingungen die Hauptbestäuber. Es geht hier nicht nur um die Honigbiene, sondern um alle Vertreter der Familie Apidae, von denen ca. 450 Arten in Polen auftreten. Die Honigbiene ist ein Hauptbestäuber, denn sie bestäubt über 90% Blüten. Nicht zu unterschätzen ist jedoch die Rolle anderer Insekten wie Hummeln oder Solitärbienen. Laut der "Analyse des Bienenzuchtsektors", die jährlich von Dr. Piotr Siemkiwa aus der Anstalt für Bienenkunde am Gartenbauinstitut in Pulawy bearbeitet wird, werden in Polen derzeit etwa 1,4 Mio. Bienenvölker gezüchtet, aber die Bienendichte d.h. die Anzahl der Bienenvölker pro 1 Quadratkilometer wird geografisch unterschiedlich verteilt (Abb. 1). Die geringste Dichte findet man in Bezirken Podlachien, Masowien und Vorpommern und die höchste in Bezirken Lublin, Vorkarpaten und Kleinpolen.
Beunruhigend ist Mangel an Bienen im Bezirk Masowien, der hierzulande ein flächengrößtes Obst - und Gemüsebaugebiet ist. Aus der ausführlichen Analyse ergeben sich folgende Daten: im Kreis Grojec (3774 Völker in 201 Bienenständen/1269 km2) fallen durchschnittlich 3 Bienenvölker auf ein Quadratkilometer (0,03 Bienenvolk/1ha) zu. Bei einem Mittelbedarf an 3 Bienenstöcken pro 1 ha Obstplantage sollte die Anzahl der Bienenvölker in diesem Kreis hundertmal größer sein (!!!). In einer anderen ausgeprägten Obstbauregion, nämlich im Kreis Sandomierz ist die Lage nicht besser. Pro 1 km2 findet man dort durchschnittlich 3,5 Bienenvölker (0,035 Bienenvolk/1 ha !!!) und ein Mittelwert für Bezirk Mittelgebirge beträgt 5,5 Bienenvölker pro 1 km2. Diese Angaben beziehen sich auf die ganze Fläche der Verwaltungskreise, zeugen jedoch von großem Mangel an Bestäubern in unseren Kulturen.
Die Zucht der Honigbienen ist kompliziert, bedarf des umfassenden Fachwissens, der Erfahrung , es großen Arbeitsaufwands und die Vermietung von Bienenvölkern zur Bestäubung der Obstplantagen ist gering. Deshalb entscheiden sich immer mehr Obstbauern, die einer unzureichenden Bestäubung ihrer Plantagen bewusst sind, dafür Rote Mauerbiene einzusetzen. Rote Mauerbiene ist durch ihre unkomplizierte Zucht, guten Populationszuwachs und große Bestäubungserfolge zu einem wichtigen Neben-und häufig zum Hauptbestäuber der Obstplantagen geworden.
Genaue optimale Anzahl der ausgelegten Kokons pro 1 ha der Obstkultur ist nicht bekannt, denn die Untersuchungen unter künstlichen Bedingungen sind nicht maßgebend und die Felduntersuchungen sind wegen des Vorkommens von Honigbienen und sonstigen Insekten schwer durchführbar. Unter Berücksichtigung von theoretischen Berechnungen und Beobachtungen im Freiland nimmt man an, dass ca. 1000 Kokons der Roten Mauerbiene zur guten Bestäubung einer 1 ha großen Obstplantage ausreichen. Da die Sauerkirsch- und Süßkirschbäume stärker blühen, sollte die Anzahl von ausgelegten Kokons zwei - oder dreimal höher sein. Jedoch jede sogar kleinere Menge der ausgelegten Insekten trägt wesentlich zur Steigerung der Erträge und zur Verbesserung ihrer Qualität bei.
Das nachstehende Diagramm zeigt die Abhängigkeit der Obst - und Samenerträge bei einzelnen Kulturpflanzen von der Blütenbestäubung. In überwiegenden Fällen ist eine relevante Steigerung der Erträge sichtbar. Die Erdbeere und die Himbeere (s. Diagramm) scheinen anspruchslos gegenüber den Bestäubern zu sein, jedoch sind ihre Erträge um 25 - 35% niedriger und haben wesentlich schlechtere Qualität. Diese Beeren können nur als ein billiger Rohstoff für Verarbeitungsindustrie und nicht als Dessertobst preisgünstiger verkauft werden.
Rote Mauerbiene kann sowohl in Obstplantagen als auch in der landwirtschaftlichen Pflanzenproduktion sowie im Freiland-und Glashausanbau von Gemüse eingesetzt werden.
Rote Mauerbiene hat wie alle Wildbienen eine kurze Flugweite, bis ca. 300 m von dem Volk. Deshalb sind die Bienenbestände so aufzustellen, dass sie voneinander etwa 200 entfernt sind und die Bienen mit ihrem Flugradius die ganze Kulturfläche erfassen. Besonders wichtig ist das in Obstplantagen, die eine Form des verlängerten Rechtecks haben.
Rote Mauerbiene befliegt gern windblütige Pflanzen. Diese Pflanzenarten (Eiche, Buche, Hainbuche, Ulme, Ahorn und Walnuss) locken die Bienen wahrscheinlich mit ihrer reichlichen Pollenproduktion an. Damit Rote Mauerbienen diese konkurrenzfähigen Trachtpflanzen nicht befliegen und in der Obstplantage bleiben, sollten wir die Insektenkolonien etwa 200 m von den zu bestäubenden Pflanzen lokalisieren.
Die Kolonien der Mauerbiene sollten vor Ort bis September gelassen werden, denn auch nach der Beendigung der Flüge fressen und verpuppen die Larven. Deshalb sollten sie in dieser Zeit vor Erschütterungen geschützt werden. Stört die Nistkiste bei der Durchführung der Maßnahmen oder bei der Obsternte, ist sie behutsam an einen sicheren Ort zu bringen aber nicht überzuführen.
Chemische Pflanzenschutzmaßnahmen dürfen nur bei Einhaltung der Karenzzeit für Bienen und der höchsten Sicherheitsstandards durchgeführt werden. Während der Nachtspritzungen sind die Plastikbeutel unbedingt auf die Nistkisten aufzulegen und sie dicht zu verschließen, damit die Spritzflüssigkeit in das Innere nicht gelangt. Nach der Beendigung der Maßnahme sind die Beutel zu beseitigen.
Mehr Informationen finden Sie unter "Überwinterung".
Dariusz Teper